23.11.2020

„Von der Idee einer reinen Einkaufsstadt müssen wir uns verabschieden“

2021 sollen in Herne die Neuen Höfe in einem früheren Warenhaus eröffnen. Statt Einzelhandel wird es dort Büros, ein Fitnessstudio und Gastronomie geben. Im Interview mit dem WESTFALENSPIEGEL sagt der Herner Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda, warum die Umwandlung des Gebäudes so schwierig war und ob es in Zukunft in der Innenstadt überhaupt noch Läden geben wird.

Herr Dr. Dudda, warum sind die Neuen Höfe für Herne so wichtig?
Dieses Gebäude hat eine große Bedeutung für die Herner. Es liegt ganz zentral in der Innenstadt und viele Bürgerinnen und Bürger haben Erinnerungen an das Horten- und spätere Hertie-Kaufhaus. Manche wünschen sich auch heute noch, dass dort wieder ein großes Warenhaus einzieht. Auch wenn das wohl nicht passieren wird, ist die Sanierung des Gebäudes und die neue Nutzung ein wichtiges Signal für die Stadt. Im Erdgeschoss der Neuen Höfe wird ein großes Wirtshaus mit Außengastronomie eröffnen. Gerade das wird entscheidend für die Belebung der Innenstadt sein.

Dr. Frank Dudda: Thomas Schmidt, Stadt Herne

Dr. Frank Dudda: Thomas Schmidt, Stadt Herne

Mehr als zehn Jahre hat das Warenhaus leergestanden. Warum so lange?
Herne ist vom Strukturwandel geprägt und die Stadtentwicklung konnte daher lange Zeit eher zurückhaltend betrieben werden. Ähnlich wie andere Ruhrgebietsstädte, haben wir uns zu lange darauf verlassen müssen, dass ein Investor mit einer Idee kommen und den Leerstand beseitigen wird. Der Durchbruch kam dann erst, als die Stadt das Gebäude erworben hat.

Warum war das notwendig?
Wenn ich mir heute die Neuen Höfe ansehe, dann hat dieses Gebäude mit dem damaligen Warenhaus nicht mehr viel zu tun. Es waren große Eingriffe in die Bausubstanz und umfangreiche Umbauten notwendig, um eine neue Nutzung mit Büros, Fitnessstudio, Gastronomie und Einzelhandel zu ermöglich. Viele private Investoren haben eine einzelne Idee, scheitern aber an solch einer komplexen Herausforderung. Als Stadt haben wir ein Konzept für das gesamte Quartier entwickelt. Mit Unterstützung der Städtebauförderung wurden Plätze und Zufahrtsstraßen erneuert. Auch das Projekt Innovation City Herne für eine energieeffiziente Stadt hat diese Entwicklung unterstützt.

Welche Rolle spielt der Einzelhandel?
Natürlich wünsche ich mir mehr Läden in der Innenstadt. Aber ich sehe auch, wie sich das Einkaufsverhalten der Menschen verändert hat. Der Online-Handel ist stark und wir können diese Verschiebung auch in Herne nicht ignorieren. Wir haben hier familiengeführte, erfolgreiche Einzelhändler, die es sicherlich auch in Zukunft geben wird. Von der Idee einer reinen Einkaufsstadt müssen wir uns aber verabschieden.

„Chancen auf eine Fachhochschule“

Was bedeutet das für die Stadt?
Die Innenstädte wurden einmal gebaut, um dort einzukaufen. Dieses Konzept allein trägt heute nicht mehr. Wir wollen weiterhin Handel im Stadtzentrum, unser wichtigstes Ziel ist aber eine Belebung. Neben attraktiven Plätzen ist dafür das Umfeld wichtig. Wir planen ein neues Wohngebiet für Familien in der Nähe der Innenstadt. Dann wird die Hochschulallianz ruhrvalley mit 30 Wissenschaftlern nach Herne ziehen und in einem leerstehenden Haftgebäude entsteht ein Smart-Living-Apartmenthaus. Durch solche Ansiedlungen wollen wir mehr Menschen und mehr Kaufkraft in die Innenstadt bringen. Wenn das gelingt, wird das sicherlich auch unsere Chancen bei der Bewerbung um die Fachhochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung verbessern.

Viele Unternehmen leiden zurzeit unter der Coronakrise. Hat das auch Auswirkungen auf die Neuen Höfe?
Ja, das spüren wir schon. Pandemiebedingt gab es vor kurzem einen kleinen Rückschlag. Der belgische Coworkingspace-Anbieter Regus ist von seinem Mietvertrag zurückgetreten und zieht nicht ein. Für rund 2000 Quadratmeter Büroflächen wird nun ein neuer Mieter gesucht. In anderen Bereichen sind die Entwicklungen aber stabil. Drei große Mieter bereiten sich gerade auf ihren Einzug in die Neuen Höfe vor oder sind bereits dabei. Darunter sind ein österreichisches Industrieunternehmen, das Büroflächen mietet, ein Gastronom und ein Fitnessstudio. Es gibt auch positive Signale, dass wieder kleinere Geschäfte in dem Haus eröffnet werden. Wir sind sehr optimistisch.

Interview: Annette Kiehl, wsp

Mehr über Abschied und Neuanfang in den Innenstädten der Region lesen Sie auch in Heft 6/2020 des WESTFALENSPIEGEL.

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