Der Wissenschaftsrat kritisiert das Siegener Modellprojekt "Medizin neu denken" scharf. Foto: Martin Büdenbender/pixelio.de
28.10.2019

Nach Kritik: Siegener Medizinmodell vor dem Aus

Der Wissenschaftsrat hat das Land NRW aufgefordert, vom Modellprojekt „Medizin neu denken“ der Universitäten Bonn und Siegen Abstand zu nehmen. Wie es in Siegen weitergeht, ist unklar.

Die ursprünglichen Pläne, Medizinstudierende in Südwestfalen auszubilden, um sie dort später auch als praktizierende Ärzte zu halten, dürften damit gescheitert sein. „Der gemeinsame Studiengang in Bezug auf die humanmedizinische Ausbildung in Siegen ist fraglich. Seitens des Wissenschaftsministeriums und der beiden Universitäten gibt es erste Überlegungen, das Medizinstudium über die komplette Dauer des Studiums in Bonn anzubieten und mit Wahlmodulen aus Siegen zu ergänzen“, heißt es in einer Erklärung der Universität Siegen.

Es fehlten die Voraussetzungen für einen sachgemäßen und qualitätsgesicherten Lehrbetrieb, kritisierte der Wissenschaftsrat. Er sieht grundlegende Voraussetzungen für die Aufnahme einer klinischen Ausbildung in den Siegener Kliniken nicht erfüllt. Das Vorhaben sei zudem finanziell nicht tragfähig, heißt es in einer Stellungnahme  zum Modellprojekt.

25 Studienplätze pro Jahr sind zu wenig

Die Projektpartner reagierten auf diese Einschätzung. „Die im Gutachten formulierte Kritik ist wertvoll für die weitere Entwicklung und zugleich nachvollziehbar angesichts der Dimension des Projekts. Einige der im Bericht aufgeführten Maßnahmen sind bereits umgesetzt worden – beispielsweise die Einrichtung eines Kuratoriums und eines wissenschaftlichen Beirats für das Projekt“, so die Universität Siegen.

Das gemeinsame Projekt der Universitätsmedizin Bonn, der Universität Siegen und einem Verbund von vier Klinikpartnern hat seinen Fokus auf die Digitalisierung in der Medizin gelegt. Ziel ist es, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern. Ein wichtiges Thema, findet auch der Wissenschaftsrat. Allerdings seien die inhaltlichen, organisatorischen, personellen, infrastrukturellen und finanziellen Defizite des Modellprojekts zu groß. 

Nach Einschätzung des Wissenschaftsrates steht auch die Finanzierung auf wackligen Beinen: Eine angemessene Kosten-Nutzen-Relation sei bei erheblichen finanziellen Aufwendungen für das Humanmedizin-Studium nicht gegeben. Auch könnten die 25 Studierenden pro Jahr nur wenig zur Problemlösung für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum beitragen. 

Projektpartner nehmen Kritik an

Eigentlich sollte der Lehrbetrieb an den Siegener Kliniken im Wintersemester 2021/22 starten. An der Universität in Bonn haben die ersten angehenden Ärzte bereits mit ihrem Studium begonnen. Aufgrund der „gravierenden Defizite des Kooperationsstudiengangs“ müssten diese Studierende den klinischen Studienabschnitt nun doch in Bonn absolvieren und dort ihr Studium abschließen, so der Wissenschaftsrat. Das Modellprojekt „Medizin neu denken“ sollte nicht weiterverfolgt werden.

Bei einem „Runden Tisch Universitätsmedizin“ Ende November will das Landesministerium für Kultur und Wissenschaft mit den Hochschulen und Universitätskliniken sowie dem Gesundheitsministerium entscheiden, wie die Empfehlungen des Wissenschaftsrats konkret umgesetzt werden können. Dort wird es auch um den Fortbestand des Modellprojekts „Medizin neu denken“ gehen.

Uniklinik Münster mit sehr guter Forschung

Das Konzept zum Aufbau einer Medizinischen Fakultät in Bielefeld schätzen die Gutachter dagegen grundsätzlich positiv ein und bescheinigen diesem unter anderem eine hohe gesellschaftliche Relevanz, teilt das NRW-Wissenschaftsministerium mit. Da noch kein umfassendes Curriculum vorliege, sei eine abschließende Beurteilung zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht möglich.

Der Uniklinik Münster bescheinigt der Wissenschaftsrat eine sehr gute, teilweise exzellente Forschung und eine innovative Lehre. In Bochum gebe es sehr gute Anknüpfungspunkte in Lehre, Forschung und Krankenversorgung, die Strukturen des Bochumer Modells sollten jedoch modernisiert werden, so die Empfehlung.

wsp

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