Die Beatles werden heute immer noch von Groß und Klein millionenfach gehört. Foto: pixabay
10.11.2020

Yeah, Yeah, Yeah!

Buchtipp: Beatles-Fan Frank Goosen ehrt John, Paul, George und Ringo mit einer überaus kurzweiligen Hommage.

„Und dann fragte mich mein Lektor, ob ich Lust hätte, in der Musikbibliothek dabei zu sein, und über wen ich würde schreiben wollen. Ich glaube, die Antwort hatte ich raus, bevor er die Frage beendet hatte. Ich hätte es nicht ertragen können, wenn jemand anders über die Beatles geschrieben hätte. Außerdem war es höchste Zeit, sich mal wieder mit denen zu beschäftigen. Und vielleicht auch dem Nachwuchs, der mit Riesenschritten der Volljährigkeit entgegenstiefelte, mal ein bisschen näherzubringen, was Papa so geliebt hat, als er in ihrem Alter war.“

So fängt sie an, die Vorgeschichte von Frank Goosens Buch „The Beatles“. Das Konzept der erwähnten Musikbibliothek des Verlags Kiepenheuer & Witsch: Prominente Fans schreiben über ihre Lieblingsmusiker bzw. Bands. Und das im bequemen Pocket-Format, ideal fürs Nachtschränkchen oder zum Verschenken.

Aber über die Beatles schreiben? Ist da nicht schon alles gesagt? Und findet man nicht inzwischen eh alles im Internet? Unter www.beatlesbible.com zum Beispiel wird nun wirklich jedes noch so winzige Detail haarklein dokumentiert und diskutiert.

Beatles-Hommage als Homestory

Frank Goosen. Foto: Ira Schwindt

Frank Goosen. Foto: Ira Schwindt

KiWis Musikbibliothek erhebt jedoch keinen enzyklopädischen Anspruch. So subjektiv wie möglich soll’s sein und natürlich unterhaltend. Und da ist Frank Goosen fraglos der richtige Mann. Sein Initialerlebnis hatte er 1979, mit 13 Jahren. Ein Freund hatte ihm „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ auf Kassette überspielt. Spätestens bei „Lucy in the Sky with Diamonds“ war’s um ihn geschehen.

Goosen inszeniert seine Hommage an John, Paul, George und Ringo als Homestory. Seine Ehefrau und die beiden nicht sonderlich Beatles-affinen Söhne sind mit von der Partie. Goosen lässt den Leser unmittelbar an der Entstehung des Buches teilhaben. Thema ist, klar, die erste persönliche Bekanntschaft mit der Musik der Liverpooler Pilzköpfe, die natürlich verknüpft ist mit Erinnerungen an Partykeller, Jugendsehnsüchte, Schulhofbesserwisserei und dem ersten Schallplattenspieler. Wie gewohnt lässt er reichlich Anekdoten einfließen, aber er überdreht nicht. Musikologie ist eine ernste Sache. Und Goosen will sich diesbezüglich nichts nachsagen lassen. Er ging seine Aufgabe akribisch an, vertiefte sich noch einmal in die Lektüre von Büchern über die Beatles, schaute sich Beatles-Filme an, auch Dokumentationen über die Band, hörte den gesamten Beatles-Katalog noch einmal durch.

Spurensuche in Liverpool

Bei aller Emphase und sicherlich auch Verklärung – Liebe macht in diesem Fall nicht blind. Im Gegenteil. Goosen hält sich zwar nicht mit Lob zurück, übt aber auch, wenn es sein muss, harsche Kritik. So hält er das „Anthology“-Album mit Alternativversionen und Demo-Takes von Beatles-Tracks für überbewertet, überflüssig und teilweise für kitschig. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass sich die Beatles in den Jahren, in denen sie zusammen professionell Platten aufnahmen „auserzählt“ hatten: „Das Zweitbeste, was die Beatles gemacht haben, war, sich zu trennen. Das Beste, dass sie sich nie wieder zusammengetan haben. Was nach dem 8. Dezember 1980 (dem Todestag John Lennons) auch nicht mehr möglich war, okay. Wir müssen uns zum Glück nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ausgerechnet die Beatles allerlei mediokre Platten abgeliefert hätten, in den Achtzigern zu Karikaturen geworden und in den Nullerjahren auf diverse Abschiedstourneen gegangen wären. Der Mythos ist intakt.“

Die Beatles als Statuen in Liverpool. Foto: pixaby

Die Beatles als Statuen in Liverpool. Foto: pixaby

In einem eigenen Kapitel schildert Goosen den Besuch in Liverpool, wo der Beatles-Mythos nach wie vor lebendig ist. So lebendig, dass er, wie Goosen beklagt, zu einem Totalausverkauf führt. Gemeinsam mit seiner mäßig interessierten Familie sucht er im Taxi namens „Lovely Rita“ legendäre Orte der Beatles-Verehrung auf (Geburts- und Wohnhäuser, frühe Spielstätten der Band bis hin zu Song-Schauplätzen – Namen wie Penny Lane, Eleanor Rigby und Strawberry Fields werden Eingeweihten das Herz höher schlagen lassen). Er gelangt zu dem Schluss: „Zum ersten, aber nicht zum letzten Mal geht mir durch den Kopf, dass ich mit dieser Taxifahrt die Zu-Tode-Kommerzialisierung des Fab-Four-Mythos aktiv unterstütze. Gleichzeitig kann ich mich von diesem leichten Gefühl der Ergriffenheit, auf denselben Straßen wie John, Paul, George und Ringo zu wandeln, nicht ganz freimachen.“

The Beatles erschien als KiWi-Taschenbuch. 192 Seiten. 12 Euro. ISBN 978-3462054064. Bisher sind in der Reihe Titel über Nick Cave, Take That, Die Toten Hosen, Leonard Cohen, Frank Ocean und Madonna erschienen.

The Beatles erschien als KiWi-Taschenbuch. 192 Seiten. 12 Euro. ISBN 978-3462054064. Bisher sind in der Reihe Titel über Nick Cave, Take That, Die Toten Hosen, Leonard Cohen, Frank Ocean und Madonna erschienen.

Frank Goosens „The Beatles“ ist ein leichtes, kurzweiliges Buch – für Goosen- und Beatles-Fans ein Muss, für alle anderen eine Lektüre mit hohem Unterhaltungswert. Aber auch ein reflektiertes Buch, das auf Gefühlsüberschwang verzichtet. Das gilt auch für Goosens Schlusswort, das die Frage aufgreift: Wieso eigentlich die Beatles?

„Mit Anfang fünfzig, nachdem man Vater von zwei Söhnen geworden ist, die manchmal gucken, als suchten sie einem jetzt schon ein Altersheim in Kasachstan aus, stellt man die Frage nach dem Warum durchaus öfter. Zum einen könnte man sagen: Ist doch einfach tolle Musik, aber das wäre zu billig. Ich glaube heute, dass die Beatles mir ermöglichten, mich gerade so weit von meinen Eltern und meiner Herkunft zu entfernen, wie ich es aushielt.“

Walter Gödden

Dieser Artikel erschien zuerst im WESTFALENSPIEGEL Heft 3/2020. Zur Inhaltsübersicht gelangen Sie hier. 

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