Auch Kinder können unter Einsamkeit leiden. Foto: Pixabay
05.02.2024

Forschungsobjekt Einsamkeit

Nicht nur ältere Menschen fühlen sich einsam. Aktuelle Forschungen zeigen, dass soziale Isolation unter jungen Menschen und Kindern verbreitet ist.

Die Vorstellung, dass Einsamkeit ausschließlich ältere Menschen betrifft, sei längst überholt, berichtet Prof. Dr. Susanne Bücker von der Universität Witten/Herdecke. Die Psychologin erforscht Einsamkeit in verschiedenen Lebensphasen. Eine Erkenntnis dabei ist: Nicht nur eine Verwitwung oder Scheidung können einsam machen, sondern beispielsweise auch die Geburt eines Kindes „Und auch Kinder und Jugendliche fühlen sich einsam, wenn ihnen Beziehungen fehlen, in denen sie sich verstanden fühlen“, so Bücker.

Zuletzt zeigte eine Studie der Ruhr-Universität Bochum, dass zwischen 16 und 18 Prozent der älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter starken Einsamkeitsgefühlen leiden. „Die Zahlen deuten darauf hin, dass heute mehr Jugendliche und junge Erwachsene von Einsamkeit betroffen sind als vor der Pandemie. Einsamkeit ist zwar eine Erfahrung, die zum Leben dazugehört, wie man auch an den Zahlen zur moderaten Einsamkeit sieht. Aber aus starker Einsamkeit kommen viele nicht mehr alleine heraus, und deshalb besorgt mich der gestiegene Anteil der stark Einsamen unter den älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen“, sagt die Psychologin Prof. Dr. Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum.

Prof. Dr. Susanne Bücker forscht an der Universität Witten/Herdecke im Bereich Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie. Foto: Universität Witten/Herdecke

Prof. Dr. Susanne Bücker forscht an der Universität Witten/Herdecke im Bereich Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie. Foto: Universität Witten/Herdecke

Die Folgen von sozialer Isolation könnten durchaus ernst sein. Diese mache nämlich nicht nur unglücklich, sondern ziehe auch gesundheitliche Probleme nach sich, berichtet Prof. Susanne Bücker. „Chronische Einsamkeit ist vergleichbar mit dauerhaftem Stress. Zudem fehlt einsamen Menschen eine soziale Stimulation, die unsere kognitiven Fähigkeiten aufrecht erhält. Manche versuchen dann, ihre negativen Emotionen über den Konsum von Alkohol oder Nikotin zu regulieren. Das alles macht sie anfälliger für Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz.“

Um zu verhindern, dass sich Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen verfestigt und das weitere Leben prägt, sei Vorbeugung wichtig. Zum Beispiel, indem das Gemeinschaftsgefühl in Schulklassen gestärkt werde, so die Psychologin. Auch gelte es, Warnsignale für Einsamkeit frühzeitig zu erkennen und die Bedeutung sozialer Bindungen im Alltag der Kinder zu vermitteln. Jedoch gibt es zur Einsamkeit bei Kindern und jungen Jugendlichen bislang wenige Erkenntnisse.


Viele Jugendliche fühlen sich einsam. Foto: RUB/Tim Kramer

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Die „dünne Datenlage“ sei „erschreckend“, sagt Bücker. Sie hat mit ihrem Team an der Universität Witten/Herdecke einen Fragebogen entwickelt, der mit einem kindgerechten Wortschatz arbeitet und junge Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abholt. Ein Ziel der Forschungen sei es, die darüber gewonnenen Erkenntnisse zur gezielten Vorbeugung gegen Einsamkeit einsetzen. Damit aus einsamen Kindern keine einsamen Erwachsenen werden.

Familien für Studie gesucht

Die Universität Witten/Herdecke sucht noch Eltern und Kinder, die bis April 2024 an der deutschlandweiten Einsamkeitsstudie teilnehmen. Dies ist möglich über einen digitalen Fragebogen, der zuhause ausgefüllt werden kann. Wichtig dabei: Auch wer sich nicht einsam fühlt, darf teilnehmen. Weitere Informationen gibt es hier. 

wsp

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