Der Werkstattleiter der Restaurierung Sebastian Pechtold hebt ein Teil des Lippeschiffs aus den Becken in der LWL-Archäologie für Westfalen, damit es für die Reise nach Schleswig eingepackt werden kann. Foto: Jürgen Bröker
18.01.2022

„Lippeschiff“ auf großer Fahrt

Das 850 Jahre alte Bootswrack, das 2019 in der Lippe bei Lippetal-Herzfeld (Kreis Soest) entdeckt wurde, ist zur Konservierung nach Schleswig-Holstein gebracht worden. 

Spezialisten des Museums für Archäologie Schloss Gottorf in Schleswig werden die einzelnen Planken und Bootsbestandteile in großen Spezialbecken mit einem speziellen Kunstwachs konservieren. „Es ist ein kompliziertes Verfahren. Dieser Prozess der Konservierung wird sich über Jahre hinziehen.“, erklärt die Kulturdezernentin des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger.

Sicher verpackt gingen die einzelnen Bootsteile auf die Reise nach Schleswig. Foto: Jürgen Bröker

Sicher verpackt gingen die einzelnen Bootsteile auf die Reise nach Schleswig. Foto: Jürgen Bröker

Seit der Bergung des Bootes vor etwa zwei Jahren lagerten die Holzteile in Wasserbecken in der Restaurierungswerkstatt der LWL-Archäologie für Westfalen in Münster. Mit Hilfe sogenannter dendrochronologischer Untersuchungen konnte das Alter der gefundenen Planken und Spanten bestimmt werden: Es handelt sich um Eichenholz aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Auch hat man bereits eine genauere Vorstellung über Aussehen und Funktionsweise des Bootes. „Wir haben eine Vorrichtung gefunden, an der wahrscheinlich einmal ein Treidelmast befestigt war“, sagt Professor Michael Baales, Leiter der LWL-Archäologie-Außenstelle in Olpe. Stromaufwärts wurde das Schiff also gezogen. Ob von Pferden, Ochsen oder Menschen ist bisher nicht klar.

„Vasa von Westfalen“

Der Fund des Schiffes stelle die bisher vorherrschende Meinung, die Menschen hätten in erster Linie über den Landweg Handel getrieben, auf den Kopf. „Der Fund und die Konservierung sind für Westfalen von großer Bedeutung“, so Baales weiter. Er bezeichnete das geborgene Wrack sogar als Sensationsfund und als „Vasa von Westfalen“ in Anlehnung an die berühmte schwedische Galeone, die bei ihrer Jungfernfahrt Mitte des 17. Jahrhunderts sank und das im Zentrum des Vasa-Museums in Stockholm steht.

Einige der gefunden Planken und Spanten im Modell und ihre Datierung. Grafik: LWL

Einige der gefunden Planken und Spanten im Modell und ihre Datierung. Grafik: LWL

Weitere Untersuchungen zum Beispiel der Moose, die als Abdichtmaterial zwischen den einzelnen Planken eingesetzt waren, sollen Aufschluss über die Vegetation an der Lippe vor 850 Jahren geben. Von einem groß angelegten Forschungsprojekt rund um den „Sensationsfund“ erhoffen sich die Archäologen weitere Erkenntnisse über das Leben und die Umwelt der Menschen zu dieser Zeit. Denn das Schiff, das immerhin acht Meter lang und bis zu 2,60 Meter breit war, fülle eine Lücke, so Baales. Bisher seien lediglich in den Niederlanden Schiffe aus dieser Zeit gefunden worden.

Nach Abschluss der Restaurierung soll das Schiff „an prominenter Stelle in Westfalen-Lippe“ ausgestellt werden, erklärt Rüschoff-Parzinger. Noch steht allerdings nicht fest, wo das sein wird. Ein möglicher Standort könnte das LWL-Archäologiemuseum in Herne sein.

Jürgen Bröker/wsp

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